Hallo und guten Tag auf den Seiten des ersten Blogs Deutschlands aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Wenn ich nicht in Paris, Berlin oder sonstwo meine Stimme verleihe, sitze ich am Übersetzerschreibtisch. Heute durfte ich mich wundern.
Couper les cheveux en quatre nennen Franzosen das, was wir Haarspalterei nennen. Auf Deutsch sind wir ausnahmsweise etwas weniger genau als die Franzosen, die das Haar vierteilen.
Anruf eines entsetzten Kunden mit der Frage, was es denn kosten würde, Untertitel gegenzulesen. Dazu müsste ich erstmal die Ausmaße des Schadens begutachten, sage ich im Scherz.
Das Lachen bleibt mir im Hals stecken, als ich kurz darauf auf einer mit einem Passwort geschützten Seite fünf Minuten des Films sehe. Drei Untertitel sind OK, das Tempo ist aber immer falsch (das ist noch das unveränderte Spotting der englischen Fassung), oft sind die Titel ultrakurz, an anderen Stellen fällt die Titelei wortreich und kurzatmig aus.
Ich frage nach und erfahre, dass diese deutschen Untertitel auf einer Verdolmetschung aus dem Französischen ins Englische basieren. Zwei unterschiedliche Dolmetscherinnen hatten im Wechsel übertragen, zwei unterschiedliche Untertitler daraus versucht, deutsche Titel zu machen. By the way: Keiner der beteiligten Titelsetzer ist des Französischen wirklich kundig.
Zudem handelt es sich um ein sozialpolitisch hochkomplexes Thema. Es geht um Paris, die Segregation der Armen in Richtung Vorstädte, urbanistische Probleme, auch Architekturbegriffe wie das seit dem Baron Haussmann bekannte immeuble de rapportkommen vor, auf Deutsch geht das in Richtung (schickerer) Mietskaserne, wörtlich übersetzt ein "Ertragsgebäude" oder "Zinshaus" von le rapport— der Ertrag.
Da im Plural les rapports in der Verkürzung je nach Kontext auch les rapports sexuels bezeichnen können, also sexuelle Kontakte, und das Wort im Singular und Plural gleich klingt, interpretierte eine der Dolmetscherinnen mutig maison de rapports als einen "Puff". (Der Kontext mag das eingeflüstert haben.) Dem Untertitler war aber nicht ganz geheuer bei der Sache, so wurde eine "Begegnungsstätte" daraus, denn le rapport kann auch "die Beziehung" heißen.
An einer anderen Stelle wird das Synonym für das englische brothel genannt, the whorehouse, aber so französisch ausgesprochen, dass das Gebäude auf Deutsch prompt zum "Warenhaus" avancierte.
Well, well. Ich will ja hier keinen verbalen Haarspliss bekommen, aber seit ich die finanziellen Hintergründe der Katastrophe kenne, denke ich nur: Wer keine Profis anheuert, braucht sich nicht zu wundern.
Wir haben dem Kunden empfohlen, die Untertitelung komplett neu machen zu lassen. Das wird billiger als eine Flickschusterei.
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Illustration: Archiv
rez-de-chaussée — das Erdgeschoss
Couper les cheveux en quatre nennen Franzosen das, was wir Haarspalterei nennen. Auf Deutsch sind wir ausnahmsweise etwas weniger genau als die Franzosen, die das Haar vierteilen.
Anruf eines entsetzten Kunden mit der Frage, was es denn kosten würde, Untertitel gegenzulesen. Dazu müsste ich erstmal die Ausmaße des Schadens begutachten, sage ich im Scherz.
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La maison de rapport — das Zinshaus |
Ich frage nach und erfahre, dass diese deutschen Untertitel auf einer Verdolmetschung aus dem Französischen ins Englische basieren. Zwei unterschiedliche Dolmetscherinnen hatten im Wechsel übertragen, zwei unterschiedliche Untertitler daraus versucht, deutsche Titel zu machen. By the way: Keiner der beteiligten Titelsetzer ist des Französischen wirklich kundig.
Zudem handelt es sich um ein sozialpolitisch hochkomplexes Thema. Es geht um Paris, die Segregation der Armen in Richtung Vorstädte, urbanistische Probleme, auch Architekturbegriffe wie das seit dem Baron Haussmann bekannte immeuble de rapportkommen vor, auf Deutsch geht das in Richtung (schickerer) Mietskaserne, wörtlich übersetzt ein "Ertragsgebäude" oder "Zinshaus" von le rapport— der Ertrag.
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Großzügiges Wohnen Ende des 19. Jh. |
An einer anderen Stelle wird das Synonym für das englische brothel genannt, the whorehouse, aber so französisch ausgesprochen, dass das Gebäude auf Deutsch prompt zum "Warenhaus" avancierte.
Well, well. Ich will ja hier keinen verbalen Haarspliss bekommen, aber seit ich die finanziellen Hintergründe der Katastrophe kenne, denke ich nur: Wer keine Profis anheuert, braucht sich nicht zu wundern.
Wir haben dem Kunden empfohlen, die Untertitelung komplett neu machen zu lassen. Das wird billiger als eine Flickschusterei.
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Illustration: Archiv
rez-de-chaussée — das Erdgeschoss